Der zitterfreien Energieverbrennung auf der Spur

Prof. Sebastian Schmid wurde für seine Adipositas-Forschung zum Braunen Fettgewebe (BAT) mit dem Menarini-Preis 2015 ausgezeichnet

Der 15. Menarini-Preis, der alljährlich von der Berlin-Chemie AG gestiftet wird, ging an Prof. Dr. med. Sebastian M. Schmid von der Medizinischen Universitätsklinik I in Lübeck. Der Sektionsleiter für Internistische Adipositasmedizin wurde im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DGG) in Berlin für seine herausragende Arbeit auf dem Gebiet der Erforschung des Braunen Fettgewebes (BAT) ausgezeichnet. Schmid nutzt das Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro, um die genetischen und molekularen Mechanismen weiter zu analysieren, über die BAT positive Stoffwechseleffekte beim Menschen hervorruft und reguliert.

Dass das „Brown Adipose Tissue“ in den Fokus der Endokrinologen gerückt ist, hat einen guten Grund: BAT ist dazu fähig, Energieträger direkt in Körperwärme umzuwandeln und somit abzugeben. „Wie alle auf dem Gebiet der BAT-Forschung tätigen Wissenschaftler nehmen wir an, dass die BAT-assoziierten Stoffwechseleffekte einen relevanten Anteil am gesamten Energie- bzw. Glukosestoffwechsel haben“, erläutert Schmid.

In eigenen Untersuchungen des Glukosestoffwechsels bei BAT-Aktivierung konnten Schmid und sein Team eine Verbesserung der Insulinsensitivität von rund 20 Prozent feststellen. „Das ist eine sehr relevante Größenordnung – mehr, als Insulinsensitizer erreichen konnten.“

Zusätzliche Energie wird „verheizt“

Dass auch erwachsene Menschen Braunes Fettgewebe besitzen, ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Zuvor ging man nur von Vorkommen bei Säuglingen und Nagetieren aus. „Bei Erwachsenen war es mehr oder weniger ein Zufallsbefund bei PET-CT-Untersuchungen [1], die immer in klimatisierten Räumen stattfinden müssen“, sagt Schmid. Braunes Fettgewebe findet man bei Erwachsenen vor allem im unteren Nackenbereich und entlang der Wirbelsäule [2].

BAT kann Wärme ohne Zittern produzieren, da die Atmungskette durch ein bestimmtes Protein, das Uncoupling Protein 1 (UCP1), entkoppelt ist, erläutert der diesjährige Menarini-Preisträger: „Beim Weißen Fettgewebe werden durch die Zellen aufgenommene Substrate ganz regulär verstoffwechselt und in einer Speicherform abgelegt. Im Braunen Fettgewebe werden die Energieträger im wahrsten Sinne des Wortes ‚verheizt‘.“ Diese sogenannte zitterfreie Thermogenese kann den Energieumsatz des Organismus erheblich steigern.

Untersuchungen mit temperierten Ganzkörperanzügen

Bekannt ist, dass übergewichtige Menschen deutlich weniger Braunes Fettgewebe als normalgewichtige Personen besitzen. „Wir wissen auch, dass junge Frauen etwas mehr BAT haben als junge Männer. Das meiste BAT findet man bei jungen, schlanken Frauen“, sagt Schmid. Durch Kälteexposition kann BAT experimentell aktiviert werden [3]. Mit Schmid kooperierende Kollegen aus Hamburg konnten an Mäusen nachweisen, dass sich eine initial bestehende Hypertriglyceridämie durch eine Kälte-induzierte BAT-Aktivierung normalisieren lässt [4]. Außerdem stellten sie eine signifikante Verbesserung von Glukosetoleranz und Insulinsensitivität bei den Mäusen fest [4].

„Wir wissen derzeit noch nicht, welche weiteren Effekte von der BAT-Aktivierung zu erwarten sind. Darüber hinaus sind die molekularen Mechanismen zwischen der BAT-Aktivierung und den positiven Effekten noch nicht geklärt“, berichtet Schmid. Um die Zusammenhänge genauer zu ergründen, führt er derzeit eine klinisch-experimentelle Studie zu Kälte-induzierter BAT-Aktivierung bei gesunden, normalgewichtigen Männern und Frauen durch. „Die ersten Auswertungen entsprechen unseren Hypothesen: Sie zeigen – analog zu den tierexperimentellen Daten – eine deutliche Verbesserung der peripheren Insulinsensitivität bei unveränderter ß-Zell-Kapazität.“

Molekulargenetische Mechanismen als kausaler Link?

Mit Hilfe des Preisgeldes möchte Schmid gemeinsam mit seinem Forschungsteam die zugrundeliegenden Regulationsmechanismen dieses klinisch relevanten Befundes nun näher charakterisieren. „Die Förderung durch den Menarini-Preis gibt uns die Möglichkeit, einen noch detaillierteren Einblick in die biochemischen Prozesse zu erhalten: Die Identifikation und Untersuchung der zugrundeliegenden molekulargenetischen Mechanismen ist dabei relativ aufwendig, da wir zunächst eine qualitative Analyse möglicher Signalwege vornehmen müssen, um anschließend entsprechende quantitative Bestimmungen durchführen zu können.“

Die zügige Auswertung und Publikation dieser Forschungsergebnisse noch in diesem Jahr ist nun auch dank des Menarini-Preises realistisch. Somit liefert Schmid einen wichtigen Beitrag dafür, dass die gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft beispielsweise für die Therapie von Menschen mit Adipositas oder Diabetes mellitus genutzt werden können.

Prof. Dr. med. Sebastian M. Schmid absolvierte sein Medizinstudium an den Universitäten in Frankfurt/Main und Lübeck. Anschließend spezialisierte er sich im Bereich Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechsel. Seit 2013 arbeitet Schmid als Oberarzt in der Medizinischen Klinik I – Endokrinologie & Diabetologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck. Im Dezember 2014 wurde er zum W2-Professor und Sektionsleiter für Internistische Adipositasmedizin an der Universität zu Lübeck berufen.

Schmid leitet derzeit zahlreiche Forschungsprojekte, u. a. in den Sonderforschungsbereichen „Plasticity and Sleep“, „Ingestive Behaviour: Homeostasis and Reward“ und im Graduiertenkolleg zum „Adipocyte-Brain-Crosstalk“. Er wurde 2008 mit dem Gerhard-Mohnike-Preis der Deutschen Diabetes Gesellschaft ausgezeichnet und erhielt 2010 den Präventions-Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Schmid ist Mitglied in zahlreichen Fachgesellschaften und Gremien, seit 2012 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie sowie Mitglied der Editorial Boards der internationalen Fachzeitschriften „Journal of Endocrinology“ und „Journal of Molecular Endocrinology“.

Mit dem jährlich vergebenen Menarini-Preis werden seit 2001 herausragende wissenschaftliche Projekte mit dem Forschungsschwerpunkt Diabetes gefördert. Dr. Stephan Silbermann von der Berlin-Chemie AG überreichte den Preis an Prof. Schmid, die Laudatio hielt Prof. Dr. Horst Harald Klein.

Literatur/Referenzen

[1] Virtanen KA et al. N Engl J Med 2009; 360(15): 1518-25
[2] Cypess AM et al. N Engl J Med 2009; 360(15): 1509-17
[3] van Marken Lichtenbelt WD et al. N Engl J Med 2009; 360(15): 1500-8
[4] Bartelt A et al. Nat Med 2011; 17(2): 200-5